Stürze im Alter haben die unterschiedlichsten Ursachen, was die Identifizierung von Risikofaktoren nicht gerade leicht macht. Es müssen jedoch die die Zusammenhänge von Gehstörungen, Stürzen und Sturzfolgen gesehen werden, um eine wirksame Sturzprophylaxe betreiben zu können.
Sturzrisiko richtig einschätzen
Um geeignete Prophylaxemaßnahmen ergreifen zu können, sollte der Pflegende eine Vorstellung davon haben, wie hoch das Sturzrisiko ist. Dazu hat die geriatrische Sturzforschung einige Eckpunkte erarbeitet, die Ihnen bei der Einschätzung helfen können. Generell wird dabei in intrinsische (von innen her kommende) und extrinsische (von außen her kommende) Ursachen unterschieden.
Entgegen der weit verbreiteten Ansicht sind für die überwiegende Mehrzahl der Stürze im Alter nicht die äußeren Bedingungen wie beispielsweise eine Türschwelle oder ein Teppich ausschlaggebend. Wie entsprechende Analysen der typischen Altersstürze zeigen, liegen die Ursachen öfter im stürzenden Menschen selbst (intrinsisch) und in seiner verringerten Fähigkeit zur sicheren Fortbewegung. Ebenso ist selten nur eine Ursache für den Sturz verantwortlich, sondern eine Kombination mehrerer Faktoren. Nachfolgend sind einige wichtige intrinsische Sturzrisikofaktoren aufgeführt:
- ein hohes Alter (> 80), weibliches Geschlecht, Hilfebedarf bei den Basisaktivitäten des täglichen Lebens
- allgemeiner Kraftverlust am Muskel- und Skelettsystem (häufig hervorgerufen durch körperlich Inaktivität), Probleme an den Füßen
- Geh- und Balancestörungen mit Veränderungen des Gangbildes wie verlangsamte Gehgeschwindigkeit, Trippelschritte, Störungen bei 360-Grad-Wendungen, Stehenbleiben oder Gang-Unterbrechung, wenn der ältere Mensch während des Gehens angesprochen wird, erhöhte Körperschwankungen
- Sehbeeinträchtigungen/-störungen (Hinweis: neben der Wahrnehmung der eigenen Körperstellung ist das Sehvermögen der zweitwichtigste Informationskanal im System der Haltungskontrolle) und Störungen des Lagesinns
- kognitive (das Erkennen betreffende) Störungen, Depressionen, Demenzen (Hinweis: Patienten mit demenziellen Erkrankungen haben eine hohe Sturzgefährdung, wobei der Zusammenhang zwischen geistiger Leistungsminderung und Stürzen bzw. Frakturen besonders ausgeprägt ist, wenn die geistige Leistungsminderung in Kombination mit motorischer Unruhe auftritt) Angst vor Stürzen
- Harninkontinenz, durch die Eile beim Aufsuchen der Toilette, vermehrtes nächtliches Wasserlassen (Nykturie) durch die häufigen Toilettengänge bei Nacht
- Anzahl der chronischen Gesundheitsstörungen, niedriger Body Mass Index, Blutdruckabfall oder Schwindel, Erkrankungen, die mit veränderter Mobilität, Motorik und Sensibilität einhergehen (wie beispielsweise Parkinson, Multiple Sklerose, Schlaganfall, Arthrose, Krebserkrankungen) und schlechter Allgemeinzustand
Die äußeren Faktoren werden in der Regel sowohl von professionellen Fachkräften als auch vom Patienten selbst und seinen Angehörigen als Gefahrenquelle leichter erkannt und oft durch entsprechende Maßnahmen beseitigt. Bei ihrer Bewertung ist aber wiederum zu beachten, dass Stürze (fast) immer eine Verkettung von intrinsischen und extrinsischen Faktoren sind. Wichtig ist zu wissen:
- Hilfsmittel zum Erhalt der Mobilität können das Sturzrisiko zwar mindern, aber nicht generell ausschalten. Menschen, die aufgrund von Balance- und Gehunsicherheiten Gehhilfen benutzen, sind als potenziell sturzgefährdet einzustufen.
- Ungeeignetes, wenig Halt gebendes Schuhwerk hat sich in Untersuchungen ebenfalls als Risiko für Stürze herausgestellt. Vor allem das Tragen von Slippern oder von Schuhen ohne Halteriemen erhöht die Gefahr zu stolpern.
- Eindeutig beschrieben ist auch der Zusammenhang zwischen der Einnahme und den Auswirkungen von Medikamenten und einem erhöhten Sturzriskiko. Zu nennen sind hier vor allem Psychopharmaka, Sedativa/Hynotika, Antiarrhythmika und Diuretika, deren Einsatz gerade bei älteren Menschen sehr häufig ist.
- Es konnte auch belegt werden, dass die Einnahme von mehr als drei Medikamenten mit einer Erhöhung des Sturzrisikos einhergeht. Aufgrund der häufig vorliegenden Mehrfacherkrankungen (Multimorbidität) bei älteren Menschen ist aber die Einnahme von mehr als drei Medikamenten eher die Regel als die Ausnahme. Viele Menschen sind deshalb aufgrund dieser Tatsache als stark sturzgefährdet einzuschätzen.
- Extrinsische Faktoren im Wohnumfeld sind eine schlechte Beleuchtung, steile Treppen, mangelnde Haltemöglichkeiten, glatte Böden und eine Vielzahl von „Stolperfallen“ wie Teppichkanten, Türschwellen, herumliegende Gegenstände oder auch (nicht selten) Haustiere!!
- Außerhalb von Räumen und Gebäuden stellen unebene Gehwege und Straßen sowie schlechte Wetterverhältnisse mit Glatteis und Schnee fast klassische extrinsische Faktoren dar.
Etwa ein Drittel der Menschen über 65 Jahre stürzen mindestens einmal pro Jahr. Circa 20 Prozent dieser Stürze haben Verletzungsfolgen, die zumeist einer unfallchirurgischen Behandlung bedürfen. Zusammen mit den oft erheblichen psychischen Auswirkungen sind Stürze im Alter ein schicksalhafter Wendepunkt im Leben des Betroffenen und führen nicht selten in die Pflegebedürftigkeit.
Einfache Tests geben Auskunft über die (verbliebene) Beweglichkeit
Experten sind sich einig: Regelmäßige Bewegung, einfache Balanceübungen und – wenn es noch möglich ist – ein wenig Krafttraining geben dem sturzgefährdeten alten Menschen Sicherheit bei seiner alltäglichen Bewegung zurück. Wie es dabei um seine Bewegungsfähigkeit bestellt ist, kann mit einfachen Tests überprüft werden. Solche Tests werden im allgemeinen durch den Arzt durchgeführt. Eine Fachpflegekraft kann sie aber auch im häuslichen Bereich durchführen, um dem pflegenden Angehörigen aufzuzeigen, wo der Pflegebedürftige Probleme hat. (Abbildungen: Prüfung der Seitenbalance, Prüfung der Muskelkraft, Untersuchung von Muskelkraft und Koordination
Wie Sie mit sinnvollen Maßnahmen das Sturzrisiko reduzieren können
Leider kann auch die beste Prophylaxe Stürze nicht 100-prozentig verhindern. Zu plötzlich und nicht vorhersehbar kann ein Sturz kommen, der beispielsweise durch eine akute Bewusstseinsstörung oder einen Schwindel ausgelöst wird. Dennoch kann vorausschauend eine Reihe von Maßnahmen ergriffen werden, die das Umfeld des sturzgefährdeten Menschen sehr viel sicherer machen und auch zur Entschärfung intrinsischer Faktoren beitragen können.
- Eine selbstverständliche Maßnahme sollte sein, alle „Stolperfallen“ zu eliminieren und die Umgebung an die Erfordernisse des gangunsicheren Menschen anzupassen. Sicherer wird das Wohnumfeld auch durch genügend Haltevorrichtungen, rutschfeste Beläge auf glatten Flächen, Toilettensitzerhöhungen oder Badewanneneinstieghilfen.
- Nach Angaben des AOK-Bundesverbandes passieren 40-50 % der Sturzereignisse beim Aufstehen und 30 % in der Nacht auf dem Weg zur Toilette. Deshalb ist sicherzustellen, dass das (Pflege)bett auf eine Höhe gestellt wird, die ein selbstständiges sicheres Ein- und Aussteigen ermöglicht.
- Wichtig ist auch die Beleuchtung. Bewegungsmelder, die beim nächtlichen Gang zur Toilette automatisch das Licht einschalten, ersparen das mühsame und oftmals riskante Tasten nach dem Lichtschalter, weil hier allzu leicht die Balance verlorengeht.
- Extrem wichtig: Allein lebende ältere Menschen im häuslichen Bereich müssen vor einer ganz besonderen Gefahr geschützt werden. Wenn sie stürzen, ist es nicht auszuschließen, dass sie stundenlang unversorgt in der Wohnung liegen. Ein Hausnotrufsystem, das auch am Körper getragen wird und nicht nur in der Nachttischschublade liegt, kann hier dem älteren Menschen das Vertrauen geben, im Ernstfall schnell Hilfe zu bekommen.
- Auch die Auswahl der Schuhe spielt bei der Risikominimierung eine große Rolle. Laut Experten steht man am sichersten in knöchelumfassenden Schuhen mit dünner, harter Sohle. Damit hat man den besten Bodenkontakt, der die Körperwahrnehmung der eigenen Position unterstützt. Hingegen wird von Turn- und Joggingschuhen abgeraten, weil die dicken weichen Sohlen die Balance des sturzgefährdeten Menschen untergraben.
- Ein sicherer Gang setzt gutes Sehen voraus, weil das Sehvermögen ein äußerst wichtiger Informationskanal für die Kontrolle der eigenen Körperhaltung ist. Ein eingeschränktes Sehvermögen kann aber auch dazu führen, dass Hindernisse oder Sturzgefahren wie z. B. glatte und/oder nasse Oberflächen nicht ausreichend wahrgenommen werden. Sturzgefährdete Menschen sollten deshalb in regelmäßigen Abständen auf ihre verbliebene Sehkraft hin überprüft werden.
- Auch die Auswirkungen von Medikamenten auf die Gangsicherheit älterer Menschen sind mit in die Beobachtungen einzubeziehen. Gegebenenfalls ist durch den Arzt die Medikation anzupassen.
- Da der Zusammenhang zwischen Stürzen und mangelnder Muskelkraft unumstritten ist, hat auch der Ernährungszustand des alten Menschen Folgen für die Gangsicherheit. Eine unterernährte Person trägt ein erhöhtes Sturzrisiko, dem gegebenenfalls durch eine hochkalorische Ernährung entgegenzuwirken ist. Sinnvoll ist möglicherweise auch die Gabe von Kalzium und Vitamin D. Die Anpassung der Ernährung erfolgt auf Anweisung des Arztes.
Wichtiges zum Einsatz von Hilfsmitteln
Bei der Benutzung einer Gehhilfe, eines Stockes oder eines Rollators ist bereits klar, dass der Betreffende ein hohes Sturzrisiko hat. Die Gehhilfen sollen dann dazu beitragen, Stürze zu verhindern, was sie bei korrekter Anwendung auch gut erfüllen.
Ein weiteres Hilfsmittel sind Hüftprotektoren, die als energieaufnehmende Polsterung der Hüfte hüftgelenksnahen Frakturen vorbeugen. Da die Polsterungen zwangsläufig ziemlich auf den Hüften auftragen, werden sie allerdings oftmals schlecht akzeptiert.