Jeder über 60-Jährige in Deutschland wird mit durchschnittlich drei Medikamenten dauerhaft behandelt. Dies sichert einerseits hohen gesundheitlichen Nutzen, andererseits birgt die Arzneimitteltherapie bei Senioren so manches Risiko in sich. Deshalb ist es wichtig, über ein paar Fakten zum Umgang mit Medikamenten Bescheid zu wissen.
Der richtige Umgang mit Medikamenten in der Pflege
Eine Behandlung älterer Patienten ist ohne den Einsatz von Medikamenten nicht denkbar. Und auch wenn sich das „ewige Tablettenschlucken“ nicht sonderlicher Beliebtheit erfreut, darf nicht vergessen werden, wie entscheidend moderne Arzneimittel für den Erhalt des Lebens und der Lebensqualität geworden sind.
Zweifellos ist die Arzneimitteltherapie des älteren Patienten aber auch eine komplexe und schwierige Aufgabe, die mit einer ganzen Reihe von Risiken belastet ist. Durch die natürlichen Alterungsprozesse verändern sich die Vorgänge um Resorption (Aufnahme der Wirkstoffe durch den Körper), Verteilung und Ausscheidung vieler Medikamente. Zudem leiden ältere Menschen häufig an mehreren chronischen Krankheiten gleichzeitig, sodass sie auch mehrere Medikamente gleichzeitig einnehmen müssen. Dann muss der Arzt zahlreiche Wechsel- und Nebenwirkungen berücksichtigen, um etwaige Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. Und nicht zuletzt sind es Einnahmefehler und oder ein eigenmächtiges Absetzen der Medikamente, die so manche kritische Situation heraufbeschwören.
Mit Wachsamkeit und Sorgfalt bei allen Beteiligten lassen sich jedoch die Risiken einer Arzneimitteltherapie im Alter begrenzen. Von den Ärzten erfordert dies eine gezielte Verordnung, die die zu erwartenden Altersveränderungen und die individuellen Besonderheiten des einzelnen älteren Patienten berücksichtigt. Den Pflegenden kommt große Verantwortung bei der Verabreichung der Medikamente zu und auch bei der Beobachtung des Patienten im Hinblick auf das Auftreten von Nebenwirkungen. Vom Patienten wird – soweit es ihm noch möglich ist – eine gewissenhafte Medikamenteneinnahme erwartet.
So gelangen Medikamente in den Körper
Häufig verabreichte Medikamente im Alter
Schmerzmittel
Schmerzmittel (auch als Analgetika bezeichnet) gehören zu den mit am häufigsten eingesetzten Medikamenten im Alter. Es werden zwei Hauptgruppen unterschieden: Opioide (natürliche oder synthetisch hergestellte Substanzen mit morphinähnlicher Wirkung) und Nichtopioide wie beispielsweise die Substanzen Acetylsalicylsäure (ASS – auch als Aspirin bekannt), Ibuprofen, Paracetamol und Diclofenac.
Kardiovaskuläre Medikamente
Entsprechend der verschiedenen Ursachen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen kommen die unterschiedlichsten Substanzen zur Anwendung: zum Beispiel Antiarrhythmika bei Herzrhythmusstörungen, Beta-Rezeptorenblocker, ACE-Hemmer (blockieren die Aktivität bestimmter Enzyme), Nitrate oder Kalziumkanal-Blocker, harntreibende Diuretika oder die pflanzlichen Digitalglykoside (aus der Fingerhutpflanze gewonnen) bei verschiedenen Herzfehlfunktionen und unzureichender Herzleistung (Herzinsuffizienz).
Antihypertensiva
Diese Gruppe umfasst Medikamente zur Behandlung von Bluthochdruck (Hypertonie), die verschieden wirken: Sie senken den Bluthochdruck entweder durch Gefäßerweiterung oder durch Senkung des Herzschlagvolumens, beispielsweise Beta-Rezeptorenblocker, ACE-hemmende Mittel und Kalziumkanal-Blocker. Die harntreibenden Diuretika verringern die Blutmenge.
Diuretika
Diuretika hemmen die Rückresorption von Wasser und Salzen ins Blut. Mehr Urin wird ausgeschieden, Flüssigkeitsansammlungen im Körper und die Blutmenge verringern sich. Diuretika werden bei Bluthochdruck und chronischer Herzschwäche eingesetzt, aber auch bei Erkrankungen, die mit Flüssigkeitsansammlungen im Körper verbunden sind. Die verschiedenen Substanzen der Diuretika variieren in ihren Wirkungen.
Psychopharmaka
Hierbei handelt es sich um Substanzen, mit denen sich die verschiedensten Krankheitszustände der Psyche wie Angststörungen, Anpassungsstörungen, Psychosen oder Depressionen usw. beeinflussen lassen. Als Wirkstoffgruppen werden Neuroleptika, Antidepressiva und Tranquilizer unterschieden. Zu letzteren zählen Beruhigungsmittel aus der Reihe der Benzodiazepine, die in der Altersmedizin häufig verordnet werden.
Medikamente sicher verabreichen
Um mitunter (lebens-)gefährliche Fehler bei der Medikamentengabe auszuschalten, hat sich in der professionellen Pflege ein strukturiertes Vorgehen nach der sog. 6-R-Regel bewährt. Die Einhaltung dieser Regeln kann auch Ihnen Sicherheit bei der Verabreichung von Medikamenten geben.
Das richtige Medikament wird vom Arzt verordnet. Dabei sollte bereits die für den Patienten richtige Darreichungs- /Applikationsform berücksichtigt werden. Viele ältere Menschen haben beispielsweise generell Schwierigkeiten beim Schlucken und erst recht beim Schlucken großer Tabletten.
Sind zur Behandlung von mehreren, gleichzeitig bestehenden Erkrankungen (Multimorbidität) auch mehrere Medikamente erforderlich, sind die Wechselwirkungen zu beachten. Diese können für den Patienten oft fatale Folgen haben. Deshalb ist es wichtig, dass der verordnende Arzt die gesamte Palette der zur Zeit einzunehmenden Medikamente kennt. Dazu gehören auch die Medikamente, die in „Eigenregie“ bei Selbstmedikation genommen werden.
Bei der Mehrfachtherapie verlieren ältere Patienten oft die Übersicht. Wichtige Medikamente werden einfach weggelassen oder unter Umständen doppelt eingenommen, was das Risiko schädlicher Auswirkungen erheblich verstärkt. Dann müssen pflegende Angehörige sicherstellen, dass die Medikamenteneinnahme ordnungsgemäß und gefahrlos für den Patienten abläuft.
Bei demenziell Erkrankten (z. B. Alzheimer) ist eine selbstständige Medikamenteneinnahme nicht mehr gewährleistet. Hier hat der Pflegende nicht nur sicherzustellen, dass die Medizin verabreicht, sondern auch tatsächlich geschluckt wird, was nicht immer einfach ist. Die Ablehnung Medikamenten gegenüber ist oftmals groß, weil geistig verwirrte Menschen den Nutzen nicht mehr einsehen können oder Angst haben, süchtig oder gar vergiftet zu werden. Viel Geduld und Einfühlungsvermögen ist dann vonnöten, um solche Barrieren zu überwinden.
Um insbesondere gefährliche Verwechslungen auszuschalten, sollte jedes Medikament deutlich mit dem Patientennamen versehen und mit dem Beipackzettel in der Originalverpackung gelagert werden. Durch diese Kennzeichnung lassen sich auch Verwechslungen bei ähnlich aussehenden Verpackungen vermeiden.
Mit der Verordnung des Medikaments gibt der Arzt auch die richtige Dosierung an, d. h. die einzunehmende Menge ist genau vorgeschrieben. Sie darf auf keinen Fall eigenmächtig – weder vom Patienten selbst noch von der Pflegeperson – verändert, also weder erhöht noch vermindert werden. Zu beachten ist außerdem, dass die Dosierungsanweisungen auf dem Beipackzettel von den Anweisungen des Arztes abweichen können. Falls Zweifel bei der angegebenen Dosierung auftauchen, ist der Arzt zu befragen.
Die meisten Medikamente müssen zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt eingenommen werden. Denn die Wirksamkeit eines Präparates kann davon abhängen, ob es vor, während oder nach einer Mahlzeit bzw. in welchen Zeitabständen es eingenommen werden muss.
Da Arzneimittel im Alter im Allgemeinen nach dem Essen besser vertragen werden, sollte geklärt werden, ob dies bei dem verordneten Medikament möglich ist.
Wird ein Medikament etwa 20 Minuten nach der Einnahme erbrochen, ist davon auszugehen, dass es nicht zur Wirkung gekommen ist. Gegebenenfalls ist eine neue Dosis zu verabreichen. Falls ein Medikament häufiger erbrochen wird, sollte nach Möglichkeit auf eine andere Darreichungsform zurückgegriffen werden.
Auch die Einhaltung der Zeitdauer einer medikamentösen Therapie ist für den Behandlungserfolg von Bedeutung. Mit der Dosierung gibt der Arzt gleichzeitig an, wie lange das Medikament eingenommen werden muss. Die Einnahme darf nicht vorzeitig abgebrochen werden, selbst wenn sich eine erste Besserung zeigt. Ein plötzliches Abbrechen kann für den Patienten höchst gefährlich werden. Ein Beispiel hierfür ist die Behandlung mit einem Antibiotikum: Wird das Antibiotikum nicht in ausreichender Menge zugeführt, können Bakterien überleben und die Krankheit neu entfachen.
Medikamente werden in unterschiedlichen Arzneiformen wie Tabletten, Dragees, Tropfen, Säfte, Salben, Pflaster oder Sprays bereitgestellt, was auch Auswirkungen auf die Verabreichung hat. Bei der Darreichungsform sollte zuallererst auf die besonderen Gegebenheiten des alten Patienten Rücksicht genommen werden.
Feste Arzneiformen wie Tabletten oder Kapseln dürfen nicht im Liegen geschluckt werden, da sie zu leicht in die Luftröhre gelangen können oder möglicherweise in der Speiseröhre stecken bleiben.
Feste Medikamente müssen immer mit ausreichend Flüssigkeit eingenommen werden. Zum Hinunterspülen eignen sich am besten Mineral- oder Leitungswasser. Kaffee, Tee, Milch oder Fruchtsäfte können bereits unerwünschte Wechselwirkungen erzeugen. Verboten ist in jedem Fall Alkohol, denn er kann die Wirkung von Medikamenten gefährlich verändern.
Flüssige Arzneimittel wie Säfte oder Sirupe sind vor Gebrauch gut zu schütteln. Flüssige Medikamente zur äußeren Anwendung müssen klar gekennzeichnet sein, um gefährliche Verwechslungen zu verhindern. Salben zum Einreiben sind an kleinen Hautbereichen auf Hautverträglichkeit zu prüfen.