Im Notfall schnell und richtig handeln

Häufig bestehen bei älteren Menschen gleichzeitig mehrere Erkrankungen. Dies macht sie anfällig für akute, lebensbedrohliche Verschlechterungen ihres Gesundheitszustandes. Wie sich dann ihr weiteres Schicksal bei Notfällen in der Pflege gestaltet, darüber entscheidet oft die Qualität der „Ersten Hilfe“.

Sanitäter schieben Patient in Krankenwagen Sanitäter schieben Patient in Krankenwagen

Erste Hilfe in der Pflege

Bis vor kurzem ging es ihrem Mann noch gut. Jetzt ist er plötzlich blass und unruhig und hat Schmerzen hinter dem Brustbein. Auch macht er einen seltsam abwesenden Eindruck. Frau M. reagiert sofort. Sie weiß, dass dies typische Anzeichen für einen Herzinfarkt sind. Und sie weiß, dass sie jetzt schnell handeln muss: Sofort den Rettungswagen rufen – 112 oder die örtliche Notrufnummer – ihren Mann beruhigen und ihm zu einer herzentlastenden Oberkörperhochlagerung verhelfen.

Die Qualität der ersten Hilfsmaßnahmen wird aber nicht nur vom Wissen und Können des Helfers bestimmt, sondern hängt auch ab von seiner Fähigkeit, unter der psychischen Belastung der Notfallsituation überlegt und ruhig zu handeln und die Anzeichen (Symptome) zu registrieren. Da der Notarzt den Patienten und seine Vorgeschichte nicht kennt, kann die Mitteilung der entsprechenden Beobachtungen von großer Bedeutung für die notärztlichen Maßnahmen sein.

Bei den Beschreibungen wichtiger geriatrischer Notfälle sind deshalb auch mögliche Vorerkrankungen und besondere Risiken für das Entstehen der Notfälle aufgeführt, um Zusammenhänge zu verdeutlichen und den Blick für Symptome zu schärfen.

Herzinfarkt / "Herzanfall"

Herzinfarkt-Symptome:

Der Patient ist blass oder zyanotisch (bläuliche Hautverfärbung) und kaltschweißig. Er zeigt Unruhe und Angst. Schmerzen bestehen hinter dem Brustbein, manchmal auch nur linksseitig starker Schmerz, eventuell Schmerzausstrahlung in den linken Arm oder in beide Arme, Schultern, Unterkiefer, Oberbauch, Rücken. Der Puls ist oftmals nicht tastbar, manchmal aber auch tachycard (schnell jagend), häufig unregelmäßig. Der Patient kann bewusstseinsgetrübt bis bewusstlos sein. Manchmal findet man zusätzlich – bei Frauen oft auch als alleinige Symptome – Luftnot, Übelkeit und Erbrechen. Atypische Symptome bei einem Herzinfarkt sind insbesondere bei alten Patienten oder Diabetikern häufig: nur geringer Schmerz, isolierter Bauchschmerz, akute Verwirrtheit bzw. Verschlechterung des Allgemeinzustandes oder diabetisches Koma, unerklärliche Synkope (anfallartige, kurz dauernde Bewusstlosigkeit), Dyspnoe (Atemnot mit Lufthungergefühl) oder rasselnde Atemgeräusche.

Schmerzabbildung: Alarmzeichen für einen Herzinfarkt

Herzinfarkt-Ursachen: Häufig findet man die typischen Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Nikotinsucht (starker Raucher), Diabetes mellitus, Adipositas, erhöhter Fettstoffwechsel (Blutfettwerte wie Cholesterin, Triglyzerin) und Stress als Ursachen für einen Herzinfarkt. Auch können Herzrhythmusstörungen vorbestehen, gelegentlich wurde schon einmal ein Herzinfarkt durchgemacht.

Sofortmaßnahmen bei einem Herzinfarkt: Notarzt rufen, Symptome möglichst genau beschreiben, Patienten beruhigen! Dem Patienten zu einer herzentlastenden Oberkörperhochlagerung verhelfen (reduziert den venösen Blutrückstrom zum Herzen); bei Lungenödem (am Blubbern und Rasseln beim Atmen zu hören) Beine herabhängen lassen. Falls durch Vorerkrankungen Nitropräparate verfügbar sind, Kapseln oder Spray in der gewohnten Dosierung verabreichen. Bei Bewusstlosigkeit Patienten in stabile Seitenlage bringen. Kommt es zum Herz-Kreislauf-Stillstand (an beiden Seiten des Halses kein Puls mehr fühlbar), sofort mit Herzdruckmassage und Atemspende (Reanimation) beginnen.

Lungenödem

Senior nimmt Asthmaspray

Lungenödem-Symptome: Das Ödem äußert sich in einer anfallartig auftretenden, hochgradigen Atemnot. Der Patient hat Todesangst, die Atmung ist röchelnd und rasselnd; häufig zu Beginn spastische Atmung mit verlängerter Exspiration (Ausatmung), dünnflüssiges, schaumiges Sputum vor dem Mund, eventuell Zyanose (bläuliche Verfärbung der Lippen, Fingernägel, evtl. der Haut).

Lungenödem-Ursachen: Patienten mit akut auftretendem Lungenödem sind oftmals herzkrank (alte Herzinfarkte, Bluthochdruck, Angina pectoris, Herzfehler), seltener sind Infektionen wie Pankreatitis, Sepsis oder ein Atemnotsyndrom die Ursache.

Sofortmaßnahmen bei einem Lungenödem: Notarzt rufen. Patienten mit Oberkörper hochlagern, Beine herabhängen lassen. Falls vorhanden, sind bei normalem bzw. erhöhtem Blutdruck 1-2 Nitrokapseln bzw. 1-4 Hübe Spray sowie hoch dosiert eine Sauerstoffgabe (bis zu 10 l/min) als Erstmaßnahme angezeigt. Patienten beruhigen und in seiner Todesangst nicht allein lassen.

Schlaganfall (Apoplex)

Schlaganfall-Symptome: Eine plötzlich auftretende Durchblutungsstörung in einem bestimmten Gehirnareal führt zum Apoplex („Hingestrecktwerden“) mit Funktionsausfällen, die von der Lokalisation und Schwere der Durchblutungsstörung abhängig sind: Halbseitenlähmung (Gesicht, Arme, Beine), Sprachstörungen, in schweren Fällen ist der Patient bewusstlos.


Zu unterscheiden ist die Hirnparenchymblutung. Die Symptomatik ist zwar ähnlich der des Schlaganfalls, häufig liegt jedoch hierbei eine sofortige Bewusstlosigkeit vor.

Schlaganfall-Ursachen: Meist besteht eine Arteriosklerose; Herzinfarkte, Herzklappenfehler und Arrhythmien können als Emboliequelle wirken. Hohe Risikofaktoren sind Bluthochdruck (Hypertonie – Hirnblutungen treten bevorzugt bei Hypertonikern auf), Fettstoffwechselstörung (erhöhte Cholesterinkonzentration), Diabetes mellitus.

Sofortmaßnahmen bei einem Schlaganfall: Notarzt rufen, sofortige Klinikeinweisung, wenn vorhanden in ein „Stroke-Unit“. Es gilt „Time is brain“ – je früher die Therapie einsetzt, umso besser sind die Überlebenschancen sowie die Aussichten, die Schwere neurologischer Ausfälle zu begrenzen. Ist der Patient bewusstlos, stabile Seitenlagerung durchführen und Atemwege frei halten.

Mithilfe des aus dem englischen Sprachraum stammenden FAST-Tests können auch medizinisch nicht ausgebildete Personen einen Schlaganfall schnell und verlässlich erkennen.

Mehr Informationen bei der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe unter www.schlaganfall-hilfe.de

Senior mit Beatmung im Krankenwagen nach Schlaganfall

Unterzuckerung (Hypoglykämie)

Unterzuckerungs-Symptome: Schweißausbrüche, Blässe, Unruhe, Zittern, Heißhunger, Verhaltensauffälligkeiten, Sprach- und Sehstörungen.

Unterzuckerungs-Ursachen: Zu niedrige Glucosekonzentration im Blut (weniger als 50 mg/dl), kann unbehandelt zum hypoglykämischen Schock mit Bewusstseinsverlust führen. Oft ausgelöst durch Überdosierung bzw. nicht an den Bedarf angepasste Menge oraler Antidiabetika oder Insulin, ungewohnte körperliche Tätigkeiten, Auslassen von Mahlzeiten. Achtung: Nach Alkoholgenuss können Unterzuckerungen zeitlich stark verzögert auftreten.

Sofortmaßnahmen bei Unterzuckerung: Ansprechbaren Patienten zuckerhaltige Getränke trinken lassen. Bei Bewusstlosigkeit Patienten keine Getränke einflößen oder Traubenzucker in die „Wangentasche“ geben, da der Patient daran ersticken könnte, sondern Notarzt rufen. Die Zufuhr von Glucose erfolgt dann über eine Infusion. Patienten in stabile Seitenlage bringen, Atemwege frei machen.f

Graphik Blutzuckerwerte von Unterzucker bis Überzucker

Überzuckerung (Hyperglykämie)

Überzuckerungs-Symptome: starker Durst, häufiges Wasserlassen, Abgeschlagenheit, psychische Verstimmung; bei fortschreitender Hyperglykämie Übelkeit, Erbrechen, Herzjagen, niedriger Blutdruck, Fieber, zunehmende Bewusstseinseintrübung (kann sehr langsam gehen, auch über mehrere Tage) bis zur Bewusstlosigkeit.

Überzuckerungs-Ursachen: Zu hohe Glucosekonzentration im Blut, zunehmend mehr als 180 mg/dl. Wird nicht eingegriffen, kann sich daraus innerhalb von Stunden oder Tagen das „diabetische Koma“ entwickeln. Häufige Auslöser sind Infekte, Ernährungsfehler, Unterdosierung oraler Antidiabetika bei Typ-2-Diabetes, unzureichende Insulinzufuhr bei Typ-1-Diabetes.

Sofortmaßnahmen bei Überzuckerung: Bei Verdacht auf ein hyperglykämisches Koma sofort ärztliche Hilfe veranlassen.

Stürze

Häufige Sturzfolgen sind Knochenbrüche (insbesondere von Oberschenkel und Schenkelhals) und Gelenkverletzungen. Sie sind zu erkennen an der unnatürlichen Lage betroffener Gliedmaßen, an Bewegungseinschränkung oder Bewegungsunfähigkeit und an Schmerzen; ggf. liegt auch ein offener Bruch mit einer Wunde vor.

Sofortmaßnahmen bei einem Sturz: Bruchstelle nicht bewegen, Schock bekämpfen, Patienten beruhigen, geschlossenen Bruch oder Gelenkverletzung kühlen, offenen Bruch mit sterilen Verbandmaterialien abdecken. Notarzt rufen.

Hinweis: Seien Sie wachsam und gegebenenfalls energisch. Denn die erste Hilfe bei Stürzen wirft nicht selten Probleme auf, die zu weiteren Notfallsituationen führen können. So fehlt es oftmals an einer ausreichenden Schmerzausschaltung (alte Menschen werden meist ohne Schmerzmedikation in die Klinik transportiert, weil dies in der Regel kein Notarzteinsatz ist). Oder die definitive chirurgische Bruchversorgung erfolgt zeitlich so verzögert, dass der Patient durch die Entstehung eines Dekubitus oder eine Lungenentzündung gefährdet ist.

Ältere Dame liegt auf dem Boden nach Sturz

Weitere Risiken und Notfälle in der Pflege

Sie wird oft nicht als Notfallsituation wahrgenommen, kann aber zu weiteren schwerwiegenden Komplikationen führen. Die Exsikkose kann viele Ursachen haben, u. a. auch normale Altersveränderungen. Entscheidend für die unheilvolle Entwicklung zur Austrocknung ist jedoch eine verminderte bzw. zu geringe äußere Zufuhr von Wasser und/oder das Vorliegen von vermehrt Wasser verbrauchenden Erkrankungen wie beispielsweise Fieber, Durchfall oder Diabetes mellitus. Erschwerend kommt hinzu, dass Austrocknungszustände von älteren Menschen allein durch vermehrtes Trinken nur schlecht ausgeglichen werden können. Die Austrocknung führt dann nicht selten zu „akuter Verwirrtheit“ oder „Delir“ und muss dringlichst im Krankenhaus durch Infusionen behandelt werden.

Hierbei handelt es sich um einen plötzlichen Verschluss von Beinarterien. Er bewirkt eine vollständige Blutleere im betroffenen Gefäßabschnitt, was zu heftigen Schmerzen, Schwäche bzw. Bewegungsunfähigkeit und Schock. Der Notfall kann eine Folge einer bereits bestehenden, geringgradiger peripherer Arterieller Verschlusskrankheit (pAVK, auch bekannt als „Schaufensterkrankheit“), von Herzrhythmusstörungen oder anderen Herzerkrankungen sein. Als Sofortmaßnahme wird die betroffene Extremität tief gelagert und dann sofort der Notarzt gerufen, weil eine Klinikeinweisung erforderlich ist.

Adomen ist der lat. Begriff für „Bauch“ und umfasst anatomisch den Bereich zwischen Brustkorb und Becken. Das „akute Abdomen“ ist dementsprechend ein Sammelbegriff für die unterschiedlichsten Krankheitsbilder, die diesen Bereich betreffen wie beispielsweise Darmentzündung, Darmverschluss, Entzündung oder Krebserkrankung der Bauchspeicheldrüse. Die Symptome sind spontane Bauchschmerzen, je nach Schwere der Erkrankung auch ein sog. „Vernichtungsschmerz“ (der Kranke hat stärkste Schmerzen und das Gefühl, dass sein Leben akut bedroht ist), ein brettharter Bauch, Schock und oftmals bestehen Übelkeit und Erbrechen. Das „akute Abdomen“ erfordert eine sofortige Diagnose und Behandlung in der Klinik!

Fieber, eine echte Virus-Grippe (gegen die man im Alter geimpft sein soll) oder andere Infektionen, wie etwa eine Lungenentzündung oder eine Wundinfektion können bei alten Menschen nur allzu leicht zu bedrohlichen Komplikationen führen und sind deshalb immer als Krisensituation einzustufen.