Obwohl die normalen Verdauungs- und Ausscheidungsfunktionen für unser Wohlbefinden von entscheidender Bedeutung sind, werden sie stark tabuisiert und als abstoßend und ekelerregend empfunden. Im Falle einer Stuhlinkontinenz wird es dann schwer, helfend einzugreifen.
Stuhlinkontinenz bedeutet den unwillkürlichen Abgang von Winden sowie flüssigem und/oder festem Stuhl. Sie entwickelt sich oft schicksalhaft durch eine erblich bedingte Veranlagung, im Zusammenhang mit anderen Krankheiten und natürlichen Alterserscheinungen. Die daraus entstehenden Belastungen für den Betroffenen selbst als auch für den Pflegenden sind ungleich höher als die bei der Harninkontinenz. Denn Stuhlinkontinenz ist eines der unangenehmsten und sozial am wenigsten akzeptierten Symptome.
Die Zahl der Betroffenen wird in Deutschland auf ca. 1,5 Mio. Menschen geschätzt. Allerdings dürfte die Dunkelziffer durch die starke Tabuisierung des Problems sehr hoch sein. Wie bei der Harninkontinenz nimmt auch die Häufigkeit der Stuhlinkontinenz im Alter zu, sodass bei geriatrischen und psychiatrischen Patienten mit bis zu 30 % Stuhlinkontinenz zu rechnen ist.
Wissenswertes rund um den „Stuhlgang“
Stuhl ist das Endprodukt der Verdauung bzw. der eingedickte und durch Bakterien zersetzte, unverdauliche Rest des Nahrungsbreis. Er besteht zu etwa 75 % aus Wasser. Weitere Bestandteile sind unverdaute, teilweise zersetzte Nahrungsmittelbestandteile (hauptsächlich Zellulose), abgestoßene Epithelien der Darmschleimhaut, Schleim, Bakterien und Gallenfarbstoffe wie beispielsweise Sterkobilin, eines der Abbauprodukte des Hämoglobins (roter Blutfarbstoff), das dem Stuhl die braune Farbe verleiht.
Da Stuhlfrequenz und Menge des Stuhlgangs stark von der aufgenommenen Nahrung abhängig sind, können für die Beobachtung des Stuhlgangs nur ungefähre Normwerte angegeben werden. Tägliche Stuhlgewichte schwanken zwischen 100 g und 500 g, je nach dem Ballaststoffanteil in der Ernährung. Im Einzelfall kann die Menge des bei einem einzigen Stuhlgang ausgeschiedenen Materials bis zu 1 kg betragen.
Geringe Stuhlmengen von < 100 g am Tag sind normal, wenn der Mensch fastet oder sich sehr Ballaststoffarm ernährt. Ansonsten weisen solche geringen Mengen auf eine Verstopfung hin. Bei großen Stuhlmengen, die nicht auf die Ernährung zurückgeführt werden können, ist an eine ungenügende Aufnahme der Nahrungsbestandteile aus dem Darm Beispielsweise durch eine Verdauungs- oder Verwertungsstörung (maldigestion bzw. malabsorption) zu.
Viele Menschen haben täglich Stuhlgang. Aber dennoch kann die Häufigkeit beim gesunden Menschen von mehrmals täglich bis einige Male wöchentlich variieren. Erst bei deutlichen Abweichungen von den üblichen individuellen Stuhlgewohnheiten spricht man von Durchfall (Diarrhoe, häufige Darmentleerung von zumeist flüssig-schleimigen Stuhl) oder Verstopfung (Obstipation, seltene Darmentleerung von sehr festem Stuhl.
Für die Krankenbeobachtung ist es auch wichtig zu wissen, welche krankheitsbedingten Beimengungen der Stuhl enthalten kann: Schleim bei Reizdarm oder Tumoren, Blut-, Schleim- und Eiterauflagerungen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn), Blutauflagerungen bei Tumoren, Entzündungen oder Hämorrhoiden oder unverdaute Nahrung bei Verdauungsstörungen oder ungenügendem Kauen.
Stuhlinkontinenz – Ursachen und Symptome
Wie die Harninkontinenz kann auch die Stuhlinkontinenz viele Ursachen haben, die sich nach Herold (2001) einteilen lassen in:
- Veränderte Stuhlbeschaffenheit: chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Diarrhoe, Rektumtumoren, Malabsorption
- Gestörte Kapazität: verändertes Rektumreservoir (z. B. durch Operation), Kollagenosen (Bindegewebserkrankungen), Rektumtumoren
- Störungen des Sphinkters (Schließmuskel): Sphinkterdefekt (Geburtstrauma, anorektale Chirurgie, Pfählungsverletzung), Sphinkterdegeneration, Tumor (infiltrierendes Rektumkarzinom, Analkarzinom) lokale Entzündungen (Morbus Crohn)
- Gestörte Sensibilität: Neurologische Ursachen (Demenz, Neuropathie, Trauma, Tumor), Koprostase (Stauung von Kot im Dickdarm, die zur Bildung von Kotsteinen führen kann), Enkopresis (Einkoten bei Kindern älter als vier Jahre), Medikamente
- Kombinationen, z. B.: Alter + Multipara (Bezeichnung für eine Frau, die mehr als zwei Kinder geboren hat) + Deszensus (Absenkung anatomischer Strukturen) + Diabetes mellitus
- Im hohen Alter treten Harn- und Stuhlinkontinenz nicht selten gemeinsam auf.
Entsprechend ihrer Ausprägung wird die Stuhlinkontinenz in drei Schweregrade unterschieden:
- Grad I: gelegentliches Stuhlschmieren oder Abgang von Darmgasen
- Grad II: Unfähigkeit, flüssigen Stuhl willentlich zurückzuhalten
- Grad III: Unfähigkeit, festen Stuhl willentlich zurückzuhalten
Auch für die Stuhlinkontinenz gilt, dass vielen betroffenen Menschen durch Diagnose und Therapie geholfen werden kann. Ebenso kann mit geeigneten pflegerischen Maßnahmen das Los des Betroffenen erleichtert werden.
So funktioniert die Darmentleerung
Keine Angst vor Untersuchungen
Zur Stuhlinkontinenz-Diagnose stehen heute zahlreiche Verfahren zur Verfügung, die auch bei älteren Patienten eingesetzt werden können.
Stuhlinkontinenz-Behandlung – was möglich ist
Die konservative Therapie, also ohne Operation, ist die unverzichtbare Basis jeder Behandlung. Falls erforderlich, muss natürlich eine vorhandene Grunderkrankung therapiert werden.
- Eine geeignete Stuhlregulierung mit Anleitung zum körpergerechten Stuhlverhalten ist häufig der Angelpunkt zum Erfolg – bringt zumindest aber eine deutliche Besserung der Inkontinenz-Probleme.
- Medikamente beseitigen keine Inkontinenz, sind aber zur begleitenden Anwendung oft unverzichtbar. Hilfreich sind vor allem Mittel zur Stuhlverfestigung.
- Ist ein Rest Sphinktermuskulatur erhalten, kann auch die physikalische Therapie mit Beckenbodengymnastik, endoanaler Stimulation und Bio-Feedback gute Erfolge bringen. Sie erfordert aber eine exakte Indikation und genügend Ausdauer von Patienten und Therapeuten.
Durch Operationen können Leiden wie Hämorrhoiden, Fisteln und Fissuren saniert und Tumoren entfernt werden. Auch Rekonstruktionen der Schließmuskeln sind möglich. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass die Medizin heute in der Lage ist, auch hochbetagte Patienten zu operieren. Nicht zuletzt deshalb, weil Operationen am Kontinenzorgan in der Regel mit einer schonenden Regionalanästhesie durchgeführt werden.
Ein mit aktiver Therapie nicht mehr zu verbessernder Grad der Stuhlinkontinenz erfordert meist einen erheblichen Pflegeaufwand. Dieser ist aber nicht als Kapitulation gegenüber der Erkrankung zu begreifen, sondern – wie bei der Harninkontinenz auch – als Aufgabe, dem Betroffenen durch eine gute pflegerische Versorgung Lebensqualität zu erhalten und zu verbessern.
- Hygienische Versorgung: Priorität hat vor allem eine optimale hygienische Versorgung, wobei neben Analtampons auch hier überwiegend aufsaugende Inkontinenzprodukte eingesetzt werden. Naturgemäß fällt es dabei Männern viel schwerer als Frauen, ein Hygieneprodukt zu akzeptieren und auch zu tragen. Hilfreich sind hier die speziell für Männer entwickelten Produkte, die sowohl bei Harn- als auch bei Stuhlinkontinenz das Leben erleichtern.
- Hautschutz: Besonderen Schutz braucht die Haut im Urogenital- und Analbereich, um Folgeschäden der Stuhlinkontinenz wie beispielsweise entzündlichen Hautausschlägen vorzubeugen. Stuhl enthält besonders aggressive Substanzen, die sehr schnell zu Hautschäden führen können. Deshalb ist die Haut nach jedem unfreiwilligen Stuhlabgang gründlich, aber schonend zu reinigen und durch spezielle Schutzcremes gegen erneute Belastungen durch Stuhl widerstandsfähig zu machen.
- Toilettentraining: Es kann dem Betroffenen aber auch helfen, wenn seine Toilettengewohnheiten überprüft werden. Gegebenenfalls kann dann durch „vorausschauende“ Toilettengänge ein unfreiwilliger Stuhlabgang vermieden werden. Voraussetzung für das Gelingen eines solchen „Toilettentrainings“ ist aber, dass der Betroffene geistig noch zur Mitarbeit fähig ist und die Ursachen der Stuhlinkontinenz ein Training zulassen.